Bericht vom Staatsakt der Bundesregierung

Als Gäste beim Staatsakt der Bundesregierung anlässlich des 75. Jahrestag des Grundgesetzes

Dass ein Staatsakt etwas ganz Besonderes ist, wurde den Schülerinnen und Schülern der Geschichte-AG der Realschule Obrigheim spätestens bewusst, als sie von einer Polizeieskorte am Hostel in Bussen der Bundespolizei abgeholt wurden. Unbehindert durch den alltäglichen Stau der Metropole, an roten Ampeln und Absperrungen vorbei, gelangten sie zu dem Veranstaltungsort zwischen Kanzleramt und Bundestag. 

Sie hatten kaum ihre Plätze eingenommen, als sich das Gelände zunehmend mit politischer und gesellschaftlicher Prominenz füllte. „Da kommt die Merkel. Und der da, ist das nicht der Lauterbach, der Gesundheitsminister.“ Schlag auf Schlag ging es nun, und ein Name nach dem anderen fiel. Die Hälse waren gereckt, wann bekommt man schon mal die Politiker aus der Nähe zu sehen, die man sonst nur aus den Medien kennt.  Bundeskanzler und Bundespräsident waren nur aus der Ferne zu sehen. Unmöglich ein Foto zu ergattern. Nur Altkanzler Schröder war für Fotos zu haben und wies die nervösen Sicherheitsbeamten zurecht: „Jetzt gebt mal Ruhe. Lasst die jungen Leute ihre Fotos mit mir machen.“

Die Geschichte-AG war zusammen mit etwa 300 anderen Teilnehmern des Jugendengagementkongresses der Bundeszentrale für politische Bildung zu dem Staatsakt anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes eingeladen worden. „Sie sind vielleicht die besten Repräsentanten Deutschlands“, hatte die RNZ in ihrem Bericht über die am Staatsakt teilnehmenden jungen Menschen zwischen 16 und 23 Jahren geschrieben. Gemünzt war diese Aussage auf die bunte Zusammensetzung dieser jungen Menschen. Diese Vielfalt hatten die Schülerinnen und Schüler aus Obrigheim auch in den Workshops der vorangegangenen Tage erlebt, an denen sie sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandergesetzt hatten. Es ging um Klima- und Generationengerechtigkeit. Am Beispiel des jüdischen Fußballnationalspielers Julius Hirsch setzten sich die Jugendlichen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander. In Workshops über Verschwörungstheorien in den sozialen Medien dachten sie darüber nach, wie Demokratie gefährdet und der Zusammenhalt einer Gesellschaft zersetzt werden kann.

Und nun hörten sie, wie der Bundespräsident sagte: „Das Grundgesetz ist keine Bilanz, sondern ein Auftrag. Nicht Ziel, sondern Kompass. (…) Es zeigt uns, was wir sein können. Darin steckt eine Aufforderung für uns, für unsere Zukunft. Das verlangt Mut, Tatkraft und den offenen Blick für die Realität.“

Tatkraft hatten die Schülerinnen und Schüler der Geschichte-AG mit ihrer Initiative für die Benennung ihrer Schule und später dann für die Neckarbrücke zwischen Diedesheim und Obrigheim nach Vinzenz Rose bewiesen. Dass ihnen das Grundgesetz dabei Auftrag und Kompass war, zeigt ihr Engagement, mit einer Ausstellung über die Verfolgung und die nach dem Krieg bis heute andauernde Diskriminierung der Minderheit der Sinti und Roma zu informieren.

Am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma trafen die Jugendlichen nach dem Staatsakt den auch in Berlin weilenden Vorsitzenden des Zentralrats Romani Rose. Ihm war es ein Anliegen, den Mitgliedern der AG persönlich seinen Dank auszusprechen, dass sie sich für seinen Onkel und die Minderheit eingesetzt hatten. Er bat sie, sich von dem ablehnenden Votum des Gemeinderats nicht entmutigen zu lassen. Die Wahrheit liege nun auf dem Tisch und sie wären nicht die, die diese zu fürchten hätten.

An diesem Tag war bei den Schülerinnen und Schülern der AG von Enttäuschung auch nichts zu spüren. Sie waren dabei. Beim Staatsakt. Mehr Anerkennung geht nicht mehr.